Datenschutz oder Bezahlung: Meta's fragwürdige 'Pay or Okay'-Strategie

 

Die Welt des Online-Datenschutzes steht erneut vor einem Wendepunkt, und diesmal ist es Meta, dass die Debatte anheizt. Am 28.11.2023 hat noyb, die Organisation für digitale Rechte, offiziell eine Beschwerde gegen Meta bei der österreichischen Datenschutzbehörde eingereicht. Der Grund? Eine neu eingeführte "Pay or Okay"-Strategie, die europäische Nutzer:innen vor eine moralisch heikle Wahl stellt.

Die europäische Datenschutzlandschaft wurde bereits im Juli durch einen Entscheid des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aufgerüttelt, der Metas Umgang mit Nutzerdaten für personalisierte Werbung als rechtswidrig einstufte. Doch anstatt sich dem EU-Recht zu fügen, versucht Meta nun auf fragwürdige Weise, es zu umgehen und setzt dabei auf die Kontroversität von "Pay or Okay".

Die Grundidee ist einfach: Nutzer:innen müssen entweder dem Tracking für personalisierte Werbung zustimmen oder eine Gebühr von bis zu 250 € pro Jahr für den Schutz ihrer Datenschutzrechte zahlen. Eine Entscheidung, die nach Ansicht von Datenschutzexperten wie Felix Mikolasch von noyb die Grundprinzipien des EU-Rechts verletzt.

Unter der aktuellen EU-Gesetzgebung ist die Einwilligung zu Online-Tracking und personalisierter Werbung nur dann gültig, wenn sie freiwillig erfolgt. Meta's "Datenschutzgebühr" von bis zu 250 Euro pro Jahr scheint jedoch das genaue Gegenteil zu garantieren. In diesem System werden Nutzer:innen vor die Wahl gestellt, ihre Privatsphäre aufzugeben oder tief in die Tasche zu greifen.

Felix Mikolasch, Datenschutzjurist bei noyb, kommentiert: "Das EU-Recht verlangt, dass die Einwilligung den freien Willen der Nutzer:innen darstellt. Im Widerspruch zu diesem Gesetz erhebt Meta eine 'Datenschutzgebühr' von bis zu 250 Euro pro Jahr, wenn jemand es wagt, sein Grundrecht auf Datenschutz wahrzunehmen."

Die Zahlen sprechen Bände: Während Branchenberichte darauf hinweisen, dass nur 3 Prozent der Menschen dem Tracking zustimmen wollen, entscheiden sich mehr als 99 Prozent gegen die Zahlung, wenn sie mit einer "Datenschutzgebühr" konfrontiert werden. Dieses "Pay or Okay"-System scheint daher die Idee der freien Einwilligung zu untergraben und den "freien Willen" der Nutzer:innen erheblich zu beeinträchtigen.

Auch Max Schrems, Vorsitzender von noyb, äußert sich dazu: "Wenn nur 3 Prozent der Menschen schwimmen wollen, aber 99,9 Prozent im Wasser landen, weiß jedes Kind, dass das keine 'freie' Entscheidung war. Das ist weder besonders clever noch legal - es ist einfach nur erbärmlich, wie Meta das EU-Recht weiterhin ignoriert."

Die potenziellen Auswirkungen dieses Ansatzes sind alarmierend. Sollte Meta damit durchkommen, könnten andere Unternehmen bald nachziehen, und Online-Datenschutz könnte unbezahlbar werden. TikTok testet bereits Berichten zufolge ein werbefreies Abonnement außerhalb der USA, und andere App-Anbieter könnten dem Beispiel folgen.

Gemäß den Berechnungen von Google könnte eine durchschnittliche Person mit 35 Apps auf dem Smartphone eine "Grundrechtsgebühr" von 8.815,80 € pro Jahr zahlen müssen, wenn alle Apps eine ähnliche Gebühr erheben. Für eine vierköpfige Familie würde der Datenschutz dann mehr kosten als das durchschnittliche Vollzeiteinkommen in der EU.

Max Schrems betont: "Grundrechte gelten normalerweise für alle. Wie viele Menschen würden noch von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, wenn sie 250 € dafür bezahlen müssten? Es scheint, als wolle Meta uns mehr als hundert Jahre zurückversetzen."

Die sozialen Auswirkungen sind ebenfalls bedenklich. Meta's Preisgestaltung ignoriert nicht nur die allgemein hohen Kosten, sondern auch die unterschiedlichen Einkommensniveaus in den EU-Ländern. Mehr als 20 Prozent der EU-Bevölkerung sind bereits von Armut bedroht, und ein "Pay or Okay"-System könnte viele Menschen vor die Wahl stellen, die Miete zu bezahlen oder das Recht auf Datenschutz zu wahren.

In Anbetracht der Schwere der Verstöße und der ungewöhnlich hohen Zahl betroffener Personen fordert noyb die österreichische Datenschutzbehörde auf, ein Dringlichkeitsverfahren einzuleiten, um die illegale Verarbeitung zu stoppen. Eine Geldstrafe und Maßnahmen, um sicherzustellen, dass kein anderes Unternehmen eine ähnliche Idee verfolgt, werden ebenfalls vorgeschlagen.

Die Zukunft des Online-Datenschutzes steht auf dem Spiel, und es liegt nun an den Datenschutzbehörden, sicherzustellen, dass Grundrechte nicht zu einem Luxusgut für diejenigen werden, die es sich leisten können.

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